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BASALE STIMULATION® & KLANGTHERAPIE

am Bodensee

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Somatische Dialoge nach Andreas Fröhlich

 

Gerade wenn wir Menschen begegnen, die in ihrer Ausdrucksfähigkeit aufgrund komplex mehrfacher Behinderung und hohem Assistenzbedarf in der Pflege, in der Selbstversorgung und in praktischen allen umfassenden Lebensbereichen sehr stark beeinträchtigt sind, wird der Körper, lat. Soma, zu dem zentralen Lebensmittelpunkt, zum Ausgangspunkt und auch zum Eingangsbereich jeglicher Wahrnehmung, Bewegung und Kommunikation.

Die somatische Wahrnehmungsfähigkeit ermöglicht bereits vorgeburtliche, also pränatale intrauterine Erfahrungen mit dem eigenen Körper. Bewegungen, Druckerfahrungen, Flüssigkeiten und Temperatur ermöglichen, sich selbst in Bewegung und in Auseinandersetzung mit der Umwelt (vorgeburtliche Umwelt ist die Gebärmutter) zu erleben und auf diese Weise Umfang, Abgrenzungen, Konsistenz und Ausmaße des eigenen Körpers geradezu leibhaftig zu erfahren. Sich selbst spüren, eines der zentralen Ziele der Basalen Stimulation, bedeutet in diesem Rahmen eine positive Erfahrung mit dem eigenen Leib und damit mit der eigenen Identität und Einzigartigkeit, Besonderheit, zu machen, das „Ich“ wird erfahren.

Bei schwerer Einschränkung der eigenen Bewegungsfähigkeit und Wahrnehmungsbeeinträchtigungen, wie sie bei Menschen mit komplexen mehrfachen Behinderungen zu beobachten sind, aber auch bei komatösen, stark pflegebedürftigen, desorientierten und ängstlichen, hyper- oder hypotonen Menschen sind diese essentiellen Lebenserfahrungen häufig in ausgeprägter Weise in Mitleidenschaft gezogen.

Auch Menschen, die mobil sind, sich selbst zum Teil starke Reize über ihren Körper zuführen können, bis hin zur Selbstverletzung, können in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt sein.

Ziele des somatischen Dialogs sind Sicherheit, Vorhersehbarkeit, Orientierung, Verlässlichkeit, damit elementare Erfahrungen mit dem eigenen Körper gemacht werden können. Soziales Erleben findet statt, in dem auch ein Partner erlebt werden kann, der sich auf den Körper des Klienten einlässt, ihm respektvoll begegnet und ihn als Ausgangspunkt aller Kommunikation erkennt.

Neben dieser körperbezogenen Auseinandersetzung erscheinen auch die Erfahrungen mit der materiellen Welt von elementarer Bedeutung. Orientierung und sinn-gebend erfahren, welcher Bildungsinhalt im Unterricht gerade Thema ist, in welcher Jahreszeit wir gerade leben, wie sich das aktuelle Jahresfest anfühlt, etc. können im somatischen Dialog durch Erfahrungen über die Haut zu Beteiligung und Orientierung führen, sinnlich und sinn-gebend erlebt werden, und stellen damit auch eine grundlegende Voraussetzung für die Inklusion von Menschen dar, die auf unmittelbare Erfahrungen über ihren eigenen Körper angewiesen sind, um sich die Umwelt erschließen und kommunizieren zu können.

Diese elementare Kommunikation, eine Kommunikation ohne Voraussetzungen und Erwartungen, ist nicht klein oder gering, weil sie sich winzige, von außen zum Teil kaum wahrnehmbare Inhalte zu nutze macht – ihre Bedeutung für Menschen in diesen Lebenslagen darf als gigantisch bezeichnet werden, grundlegende Menschlichkeit steht neben pädagogischen, therapeutischen und pflegerischen Aspekten im Mittelpunkt jeglichen Handelns, Faktoren wie Tempo, Intensität und Dauer werden vom Klienten selbst bestimmt.

T. Tönjes

Ergänzende Gedanken zum „Somatischen Dialog“

von Prof. Dr. Andreas Fröhlich 2012


Der Somatische Dialog wurde von mir 1982 erstmals beschrieben. Es sind also jetzt dreißig Jahre, dass dieser wichtige Bestandteil des Konzeptes Basale Stimulation Wirkung entfalten konnte. Er hat aber nicht nur das Konzept mit geprägt, sondern hat in die allgemeine Kommunikationsförderung (UK) schwer beeinträchtigter Menschen Eingang gefunden.
Die Kommunikation über den Körper, von Körper zu Körper, war in den 1980er Jahren sowohl in der Pädagogik, als auch in den verwandten therapeutischen Bereichen ungewöhnlich, nahezu skandalös. Körperferne galt als wichtiges Merkmal pädagogischer und therapeutischer Arbeit.
Die Hilflosigkeit der etablierten Fachkollegen angesichts sehr schwer mehrfach behinderter Menschen führte zu einer gewissen „Großzügigkeit“, in diesen speziellen Fällen tolerierte man das Abweichen von den klassischen Vorgehensweisen.
Der Somatische Dialog ist nicht ohne die Arbeit von Ursula Haupt zu denken. Sie hat mit ihrer psychotherapeutisch orientierten Pädagogik die Landstuhler Arbeit sehr beeinflusst. Fragen der Depressivität von schwer behinderten Kindern, Rückzug als psychogene Reaktion, andere als die damals üblichen Interpretationen selbstverletzenden Verhaltens, der Respekt vor dem „ Nicht-mehr-Leben-wollen“ dieser Kinder kennzeichnen ihren Einfluss.
Der Somatische Dialog verstand sich in erster Linie als ein Ansatz, diese Kinder zu verstehen, ihnen die eigenen Gefühle (Wut, Angst, Schmerz, aber auch Freude und Bedürfnis nach Nähe) zu spiegeln, sie erlebbar zu machen, ihnen – auch ohne Worte – einen Namen zu geben. Dieser Dialog war therapeutisch gedacht. Er entstand zu allererst aus therapeutisch gemeinter Arbeit mit Silke S., die sich – für uns unerklärlich – schlug, biss, dabei heftig schrie und in hohe Erregung kam. (Ein früher S-8 Film belegt diese Arbeit.)
Nach und nach konnten wir diese Art der Kommunikation neben dem von Papousek geprägten und von uns adaptierten Baby-Talk einsetzen.
Für mich ist diese spezielle Dialogform heute ein Kernstück der basalen Arbeit mit allen nicht sprechenden Menschen, die in gewisser Hinsicht ein seelisches Thema bearbeiten müssen.
Aus diesem Grund erfordert die Arbeit im Somatischen Dialog auch therapeutische Kompetenzen und Verantwortung.
In den letzten Jahren wurden in ganz anderen Zusammenhängen von ganz anderen Forschern Erkenntnisse gewonnen, die die eigentliche Wirkungsweise des Somatischen Dialoges für mich neu beleuchten: die Spiegelneurone.
Wir glauben heute zu wissen, dass es tatsächlich ein organisches Äquivalent für mitfühlendes Verstehen, für ein Sich-hinein-Versetzen in andere Menschen gibt. Diese Gehirnaktivitäten finden in der Regel wechselseitig bei den Partnern einer dialogischen Situation statt. Die Spiegelneurone – so der derzeitige Kenntnisstand – vermitteln uns einen Eindruck von dem, was unser Gegenüber in der aktuellen gemeinsamen Situation erlebt, wie die affektive Einfärbung bei ihm sein könnte. Dadurch sind wir in der Lage, uns emotional auf ihn und sein Erleben einzustellen. Wir reden nicht aneinander vorbei – in den meisten Fällen und Situationen wenigstens.
Die entscheidende Feststellung: die höchste Übereinstimmung der wechselseitigen Mitschwingung entsteht dann, wenn die Beteiligten sich gemeinsam oder der eine den anderen imitierend b e w e g e n.
Bekannt ist: wir verstehen uns ohne Worte beim Tanzen (wenn wir die Grundmuster beherrschen), bei manchen Sportarten, oder auch bei bewegungsorientierten Arbeiten (schauen Sie einmal Dachdeckern oder Gerüstbauern zu, wenn sie sich Material zureichen oder -werfen. Das hat tänzerisch harmonische Qualitäten.)
Der Somatische Dialog mit seinen eher feinen Bewegungen ermöglicht es, sich in die aktuelle Befindlichkeit des anderen ohne Worte hinein zu begeben. Die Anspannung der Finger, die Haltung der Hände, die Atembewegung des Brustkorbes, das Pendeln des Kopfes und vieles mehr geben uns die Möglichkeit unsere Spiegelneurone einzusetzen. Wir „imitieren“ die Bewegungen – nicht um etwas zu zeigen, sondern um etwas zu spüren! – und bekommen über unsere Spiegelneurone Informationen über ein uns zunächst fremdes Befinden. Wie ist es, wie fühlt man sich (ungefähr) wenn man so lange und so fest die Finger steif und fest anspannt…
Wir nähern uns der affektiven Lage unseres Gegenüber an und können auf der Basis dieses Verstehens eher „Antworten“ finden, die zu einer aktuellen Entwicklung oder gar Lösung führen.
Im Somatischen Dialog können wir dann wieder durch Bewegung unseres eigenen Körpers, durch Berührung, durch gemeinsame Bewegung Angebote machen, die Situation ein klein wenig anders, angenehmer, entspannter, offener zu erleben.
Wiederum ohne Worte, ohne pädagogische Aufforderung, ohne Appell sondern „nur“ durch die Kraft der wechselseitigen Mitbewegung.
Es bleibt auch nach dreißig Jahren, dass der Somatische Dialog kein Mittel der Unterhaltung ist, auch keine Variante von Unterstützter Kommunikation, sondern eine sehr individuell zu gestaltende, körperbezogene Dialogform, deren vorrangiger Inhalt die Problembearbeitung eines Menschen ist.
Die Forschungen zu den Spiegelneuronen haben – wie andere Forschungen aus den Neurowissenschaften auch – weitere Belege gebracht, dass das Konzept Basale Stimulation mit den humanwissenschaftlichen Grundlagenforschungen in hoher Übereinstimmung steht.

Quelle: www.basale-stimulation.de

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